Alkoholverbot und gutes Essen - Moscow Open 2010

Der Chefjuror ein Weltmeister, gutes Essen, tolle Gespräche und das alles gratis. Ein Rückblick auf die Moscow Open.

Hier werden die russischen Diplomaten der Zukunft ausgebildet, an der Moskauer Universität für Internationale Beziehungen, die russische Bezeichnung lautet abgekürzt MGIMO. Hier ist auch einer der bekanntesten Debattierclubs Russlands zuhause, MGIMO Debate, zwei ihrer Mitglieder wurden bei der letzten Debattier-WM in Antalya Weltmeister in der Kategorie English as Foreign Language.


Seite einigen Jahren immer im Dezember lädt der Club zu den Moskau Open ein. Als Chefjuroren hatten die Organisatoren in diesem Jahr Will Jones eingeflogen, Weltmeister bei der vorletzten Debattier-WM in Cork und Chefjuror der letzten Weltmeisterschaften in Antalya.


Neben ihm chefjurierte Evgeny Akulich, einer der Begründer der Russischen Debattierlandschaft und Yulia Tell. Eine tolle Wahl, wie die Themen zeigen wollten.


Unsereins trat wie schon im März mit Anna Dotsenko an, Studentin an der Baumann-Uni. Neben uns kamen auch Redner aus Frankreich, den Niederlanden oder Litauen und einer großen Menge Teams aus Moskau. Internationalen Teams mussten keine Teilnahmegebühr zahlen, außerdem bekamen sie Gratis-Visa (meines war in 3 Tagen fertig), die sieben Tage gültig waren. Übernachtet wurde bei Moskauer Debattierern, aber anders als in Oxford oder Cambridge bedeutete das nicht, Schlafen auf dem Boden sondern zum Beispiel in meinem Fall ein bequemes Gästebett und da mein Gastgeber noch daheim wohnte, gab es obendrein aufmerksame Eltern mit dazu, die von Hausschlappen, bis Bettwäsche und natürlich viel zu viel Essen ein herzliches Willkommensgefühl schufen.


Zwischendurch gab es reichlich Essen, Rote Beete Salat, Brötchen, Kekse, Fleisch und Obst. Für Vegetarier ist Russland generell etwas schwierig.


Am Samstagabend ging es dann via eigens angemieteten Bus in einen Club und dort lockte ein üppiges Buffet und Gratis-Sekt. Nach dem Essen gab es Augen und Ohrenschmaus, eine Tanzshow lockte das Rednervolk auf den Dancefloor – kein Wunder, dass einige bis weit nach Mitternacht feiern.


Übrigens wunderte sich unsereins ja im März darüber, warum Turnier in Moskau am Samstagnachmittag anfangen – das liegt daran, dass viele am Samstagvormittag noch Lehrveranstaltungen in der Uni haben.


Am Sonntag dann reduzierte sich die Teilnehmerzahl, einigem mit wenigen Punkten, traten gar nicht an. Dann ging es weiter.


Wer übrigens denkt, hier redeten nur Profis, der irrt, für viele der Redner war es ihr erstes Turnier in Englisch und sie probierten sich dennoch. Hut ab dafür, gleichzeitig heißt das auch für Neulinge außerhalb Russlands: Ein gute Möglichkeit, das erste Turnier auf Englisch zu reden. Denn auch Inhaltlich gab es viele Anfänger. Ein Beispiel: In der Runde über Elternzeit versteiften sich beide Oppositionsteams darauf, dass Frauen zu Hause für die Kinder bleiben müssten, weil das eben so sei, damit bewiesen sie unseren Fall, dass Rollenmodelle eben stark tradiert seien.


In den Pausen ergeben sich dann tolle Gelegenheiten über die Kultur zu sprechen, Deutschland erscheint was Elternzeit angeht als Paradies, wo auch der Mann sie nimmt und Frauen bei der Einstellung nicht so stark i Gehalt diskriminiert werden wie in Russland. Ganz offen sprechen die Mitstreiter auch über Korruption – eine Runde drehte sich um das Thema. Zwei Drittel der Befragten haben schon mal bestochen. Andere, die gerade in ihrem Job angefangen haben, berichten, dass wie vom Chef beordert, sie in einer Provinzstadt gerade einem Offiziellen einen Umschlag in die Hand gedrückt haben, damit der Bestellungen tätigt. Mitrednerin Anna wiederum erzählt von ihrem Nebenjob in der Moskauer Filiale einer französischen Bank, dort hätte sie keine Korruption erlebt. Früher, da hätten Angestellte in Firmen ihren Lohn teilweise in bar bekommen, weil sie diesen Baranteil nicht versteuern mussten, aber diese Praxis ginge zurück.


Trotzdem glauben die Studis, dass Korruption weiter um sich greife, Studienplätze an einigen Moskauer Uni kosten so 80.000-120.000 Dollar, aber auch Examensnoten oder Klausuren – alles käuflich. Natürlich gibt es Ausnahmen wie die Baumann-Uni oder jüngere Hochschulen, dennoch kennt fast jeder solche Geschichte oder sogar Leute, die da Kontakte haben.


Durch solch interessanten Pausengespräche verfliegt die Zeit, die Juroren bauchen immer schnell.


Nach den fünf Vorrunden die Breakverkündung: Und siehe da, Potsdam breakt als siebtes von acht Teams ins Halbfinale. Dort schaffen wir es aus der schließenden Regierung leider nicht ins Finale (Thema: China soll Regimewandel in Nord Korea bewirken) Wir haben hier das Nachsehen unter anderem gegen die späteren Gewinner, zwei Rednerinnen aus der Ukraine.


Die gewinnen das Finale aus der eröffnenden Regierung zum Thema: Dieses Haus würde den Verkauf allen Alkohols, auch medizinisches, in Russland verbieten.


Ihre Argumente: Alkohol ist ein schleichendes Gift, was einem langsam abhängig macht, zudem seien in Russland durch die Trinkkultur die meisten Straftaten und Todesfälle durch Alkohol verbunden. Zudem sei nach der Prohibition in den USA auch dort der Alkoholkonsum nie mehr so schlimm gewesen wie davor (und währenddessen natürlich erst recht nicht.) Ihre Argumente, präzise vorgetragen und anschaulich illustriert überzeugen.


Als Fazit bleibt: Moscow Open ist ein gutes Turnier was Organisation, Verpflegung und Unterkunft angeht. Hochinteressant sind die Einblicke in die Russische Kultur, die Gespräche mit den russischen Debattierern und natürlich die Partys. Natürlich hinkt das Turnier im Vergleich zu Großbritannien oder Irland hinterher, was die Jurierqualität und das Debattenniveau in den Vorrunden angeht. Doch ist das kein Nachteil, gerade für Einsteiger. Zum Preis: Wer günstig bucht, zahlt rund 100 Euro für Hin- und Rückflug, das Visa und die Teilnahme ist gratis und es gibt einen interessanten Einblick in Russland.


Die Themen im Überblick:

  • R1 – THW make bosses criminally liable for the corruption of their subordinates
  • R2 – THW introduce quotas limiting migration to overpopulated areas
  • R3 – TH regrets the existence of WikiLeaks
  • R4 – THW require paid parental leave to be shared equally between both parents
  • R5 – THW ban the advertising of non-FMCG using human images
  • Semi – THBT China should bring about regime change in North Korea
  • Final – THW ban all alcohol without exceptions in Russia

Von: Mathias Hamann

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