Wieder brauchen wir den Fischer Weltalmanach, außerdem erfahren wir etwas von kulturlosen Kanadiern und gewinnen die erste Runde. Eindrücke vom dritten und für uns letzten Debattentag.
Amerikaner sprechen meinen Namen so nett aus: Aus Mathias wird ‚Mässeiäs’ - das ähnelt lautlich der englischen Version von Messias. Und warum auch nicht: Am Dritten Debattentag wird wieder aufgestanden.
Das ist bei anderen nicht so: Insgesamt vier Abende Party mit Gratis-Alkohol hinterlassen ihre ersten Spuren, zum ersten Mal weißt der Debattensaal leere Stühle und die Organisatoren und Chefjuroren basteln ihr Tab um, sie fügen Springerteams ein und besetzen manche Räume mit vier Juroren, sodass einer zur Not mitreden kann. Außerdem fügen die Chefjuroren eine neue Kategorie in das Tab zur Beschreibung der Teilnehmer: „Krank.“
Der letzte Tag, drei Runden, leider alle ohne Ergebnisse und Feedback. Potsdam startet mit fünf Punkten in den Tag. Die erste Motion lautet: “This House would grant those diagnosed with terminal illnesses the right to access treatment that have not completed clinical testing.”
Wir landen in einem Raum mit zwei Teams aus Japan und zum ersten Mal merken wir, dass es andere gibt, die noch mehr Probleme haben mit Englisch als wir. Trotzdem bringen sie ihre Punkte gut rüber. So schränkt die Eröffnende Regierung ihren Antrag wunderbar ein, indem sie sagt, dass nur Behandlungen in Kliniken erlaubt sind (also keine Wunderheiler) und wenn zwei Doktoren, der Patient und die Familie zustimmen. Die Chance, Todkranke zu heilen, sei doch wunderbar. Ihr zweiter Redner erklärt: Das gäbe Hoffnung für die Tod-Kranken und die Familien. Die Opposition sorgt sich darum, dass diese Therapien ja nicht geprüft sind und die Leute schneller sterben könnten.
Als Closing Government versuchen wir den Trick, den wir bei anderen gesehen haben: Wir ziehen ein Argument zu uns. Die Eröffnende Regierung hat ja nicht nur die Heilung sondern auch die Hoffnung als positiv und wir sagen: nicht nur die Hoffnung auf Leben gibt es sondern noch viel wichtiger (weil mehr Leute davon betroffen sind) der Sinn. Sterbende würden einen Sinn sehen, da sie ja an neuen Therapien mitarbeiten würden. Außerdem würden dadurch neue Therapien schneller und effektiver verfügbar. Die Juroren müssen schweigen, sie dürfen nichts verraten, aber wir wissen: Diese Debatte ist unser.
Denn in der nächsten Runde treffen wir auf Teams, welche am Vorabend 8 Punkte hatten, also müssen wir die jetzt auch haben (d.h. drei aus der Runde davor) Die achte Motion: This House would partition Sudan. Wieder lesen wir in der Vorbereitung den Fischer Weltalmanach, zum dritten Mal eröffnende Regierung. Wir sind solide, sagen, dass die Minderheiten im Sudan ihren eigenen Staat wollen und brauchen, weil das bisherige Konstrukt sie nicht schützen kann. Uns gegenüber sitzt eine Afrikaexpertin eines kanadischen Teams, die mit den Rohstoffvorkommen des Sudans vertraut ist und behauptet, ein geteiltes Land sei wirtschaftlich nicht lebensfähig.
In der Pause fragen wir die Kanadier, warum ihre Landsleute in einer anderen Debatte gesagt hätten, dass ihr Land keine Kultur hätte. Sie lachen und sagen: Wir Kanadier sind Amerikaner – nur unbewaffnet. Aber die einzige Kultur sei eigentlich ihre Toleranz.
Dafür sind sie mit Wissen gewappnet und hatten eine klasse Analyse, wir glauben, dass sie diese Runde gewonnen haben.
Die neunte Motion: This House would ban all pornography. Hier konnten wir heute den Juror finden, in der schließenden Opposition landen wir auf dem dritten Platz, aber es hätte auch knapp der zweite werden können. Den bekommt die eröffnende Regierung, die ein Problem aufmachen - Herabsetzung von Frauen, Ausbreitung der Pornographie und damit die herabsetzende Betrachtung auch im Alltag - und eine schöne Definition: Porn? We know when we see this. Außerdem müsse man es jetzt tun, da sich Pornographie überall ausbreitet. Hier geht es aber nicht um das wie (zum Glück) sondern um das ob. Also hat Pornographie mehr Schaden oder mehr Nutzen.
Den Juroren reicht unsere Extension nicht, da wir nicht klar machen, dass der schaden größer ist, wenn man die Pornographie abschafft, als der Schaden, wenn man sie behält. Die Debatte macht jedenfalls Spaß. Moritz erklärt zu Beginn seiner Extension: Das pornographischste Buch, was er je gelesen hätte, sei griechische Mythologie gewesen, was der Zeus da macht…außerdem erklärt er die statistische Wahrscheinlichkeit von Nymphomanie bei Männern und Frauen und sorgt so für Schmunzeln auf allen Gesichtern aber auch Information, er erklärt, dass Pornographie auch Bilkdungsaspekte hätte und - ganz der Feminist - erklärt er, dass wirklich patriarchische, unfeministische Gesellschaften Pornographie verbieten. Außerdem steige durch das verbieten von Pornographie die Vergewaltigungsgefahr. Doch das wird den Juroren nciht genügend analysiert und sie setzen sie uns nach interner Diskussion (zwei oder drei) auf den dritten Platz, wie der Hauptjuror uns einen Tag später erklärt (er hat sogar noch seine Notizen.)
Am Ende des Abends geht es zur Neujahrsparty am Strand, wo die Breakverkündung eine halbe Stunde dauert. Hundert Juroren breaken und aus Deutschland München, Stuttgart und Greifswald. Glückwunsch aus Potsdam.
In der Party gibt es gratis Alkohol bis 4 Uhr und Gogo-Tänzerinnen. Der erste Januar ist frei, aber auch am vierten Debattentag wird wieder aufgestanden: Moritz geht ins Fitnesscenter und unsereins besucht die Mitgliederversammlung des Weltdebattierdachverbands.
Von: Mathias Hamann
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