Hilton, drei Weltmeister und freie Drinks all das für 75 Euro pro Team oder 37,50 pro Redner - hier der erste Teil Ankara Open 2011.
Debattieren in der Türkei, nach Istanbul im letzten Jahr nun der zweite Ausflug, diesmal geht es nach Ankara. Für 75 Euro zweieinhalb Tage in der Türkischen Hauptstadt. Nach einem Nachtflug gen Istanbul, sechs Stunden bequemer Busfahrt Freitag um fünf die Ankunft an der Middle Eastern Technology University.
Hier trifft unsereins Robert, aus Moskau. Der war Chefjuror der HSE Open 2010 und hat das Debattieren hier in Ankara gelernt. Die Debattiergesellschaft der Metu ist das, was für Boris Becker Wimbledon war: Das Wohnzimmer. Das Turnier soll eines der letzten seiner Karriere sein.
Als Chefjuroren hat Ankara Hochkaräter eingeflogen: Fiona Prose, amtierende Weltmeisterin der Monash University in Melbourne, außerdem ihr Vorgänger Chris Kroke aus Sydney, außerdem der amtierende Weltmeister der Kategorie Englisch als Zweitsprache (English as Secon Language = ESL), Michael Shapira aus Israel und Simone van Elk, Mitglied im Chefjuroren Team der EM in Galway.
Dahinter steckt die Idee, internationale Teams anzulocken. Die meisten allerdings kommen aus der Türkei, lediglich Robert aus Moskau und ich. Aber halt da sind noch zwei Frauen im Kopftuch, selten an einer türkischen Universität: Sie kommen von der American University Sulaymaniya. Irak.
Andere Teams hätten zugesagt, sagt Cheforganisatorin Busra, allerdings in letzter Sekunde abgesagt.
Leider auch meine russische Teampartnerin Yulia, deren oberster Boss kurzfristig nach Moskau kam und sie daher dableiben mußte. Dafür kriege ich einen Ersatz vor Ort. Murat. Er hat das
knochenharte Hochschuleingangsexamen der Türkei als einer der besten bestanden, rund 1,5 Millionen treten jedes Jahr an, nur ein paar Tausend schaffen es an die besten Unis des Landes und die
Middle Eastern Technology University gehört zu den allerbesten. Rund 23.000 Studis sind hier die besten 0,00-irgendwas Prozent eines jeden Schuljahrgangs. Die Uni übrigens ist der größte Wald
Ankaras.
Eh es losgeht, heißt es erstmal warten, zweieinhalb Stunden später, statt um 16 Uhr erst um 18.30 geht es in die erste Runde. This House would ban religous schools.
Ein tolles Thema für die Türkei, wo Kopftücher an den Uni lange Zeit verboten waren aber Premier Erdogan einen seltsam religiös kulturell konservativen Kurs fährt. Unser Hauptargument in der schließenden Opposition lautet, dass Religion eh stattfinde und es doch besser sei, religiöse Schulen zu haben, wo der Stadt den Lehrplan überwachen kann. Während die Juroren würf…äh entscheiden, reden wir mit den anderen Debattierern. Schnell wird klar, die Türkei hat ein Ossi-Wessi-Problem, die Leute aus dem Osten drängen zu Hauf in die Städte und verändern die Türkei. Einerseits gäbe es mehr individuelle Freiheiten, die Scheidungsrate steigt, Frauen an der Uni rund 50%. Allerdings ein anderes Bild im Osten, dort gehen mehr Jungs als Mädchen zur Schule. Ehrenmorde sind selbstverständlich.
Unser Hauptargument – Religion findet eh statt und es ist besser, wenn der Staat Einblick hat in die Vermittlung religiösen Wissens findet der Juror nicht so überzeugend, leider Platz vier.
Zum Essen fahren wir mit dem Bus eine Minute (!) ins Einkaufszentrum der Uni, es gibt vier Gänge, Salat, Suppe, Hähnchen oder Köfte und anschließen einen Nachtisch aus Cous Cous. Dann noch schnell die zweite Runde: This House believes that developed countries should boycott products made using child labour. In der Eröffnenden Regierung landen wir auf Platz zwei. Murat hat erst vor einem halben Jahr angefangen zu debattieren und erzählt auf dem Weg zum Shuttle Bus ein wenig. Drei Stunden, zwei Jahre hat er täglich gepaukt, um auf diese Uni zu kommen, Ingenieur möchte er werden.
Am nächsten Tag hat er eigentlich ein Examen, aber das wird er ärztlich verordnet verschieben, damit er weiter mit debattieren kann.
Der Bus bringt uns zu einem Club, wir kriegen Getränke-Gutscheine, aber unsereins klingt sich aus und geht lieber schlafen im Ankara Hilton.
Genau! DAS Hilton. Doppelzimmer, sogar mit Internet. Allerdings für umgerechnet 5 Euro die Stunde oder schlappe 240 Euro im Monat. Internet als Luxusgut. Ein Glück finden sich auf dem Campus Cafés mit Gratis-WLan. Hier geht es weiter.
Von: Mathias Hamann
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